Ethik

Warum Ethik?

Römische Kopie nach einem griechischen Original des 4. Jh. v. Chr. München, Glyptothek*

Römische Kopie nach einem griechischen Original des 4. Jh. v. Chr.
München, Glyptothek*

Jemand bezahlt mit einem 10-Euro-Schein, erhält aber das Wechselgeld für einen 20-Euro-Schein zurück. Jetzt ist das moralische Empfinden gefordert: Gehört es sich, dass man sich einfach freut oder müsste man nicht eigentlich auf den Irrtum hinweisen? Moral also hat mit dem zu tun, was „man“ für richtig oder falsch hält. Aber wie auch immer „man“ in dieser Situation entscheidet: Wäre eine solche Handlung auch unabhängig von moralischen Wertmaßstäben einzelner Personen oder einer ganzen Gesellschaft richtig und gerecht, also allgemeingültig? Das wäre eine Frage der philosophischen Ethik.

Ethik als philosophische Disziplin […] versteht sich als Wissenschaft vom moralischen Handeln und versucht auf methodischem Weg, allgemeingültige Aussagen über das gute und gerechte Handeln zu treffen.
(zitiert aus: Stefan Applis, Bernhard Emer, Alexander Geist, Helmut Krauß, Wolfgang Weinkauf: ethikos 11. Arbeitsbuch für den Ethikunterricht in der Oberstufe, Oldenbourg Schulbuchverlag GmbH, München 2009, Seite 11)

Welche Ziele hat das Fach Ethik? – Aussagen des Lehrplans (siehe auch www.isb-gym8-lehrplan.de)

Entsprechend heißt es im Fachprofil für das Fach Ethik: „Das Fach Ethik unterstützt die Suche junger Menschen nach einer verlässlichen moralischen Orientierung in der Welt von heute.“ Die verlässliche Orientierung sollen die jungen Menschen in der Auseinandersetzung mit ihren eigenen moralischen Vorstellungen im Kontrast zu anderen Entwürfen finden: „Ethik greift dabei auf Entwürfe zurück, in denen bewährte lebenspraktische Einsichten in einer langen Entwicklungslinie mit Hilfe philosophischer Denkweisen eine neue Deutung und Legitimierung erfahren haben. Die Jugendlichen können diese Entwürfe und Theorien mit den von ihnen selbst entwickelten Vorstellungen vergleichen und dabei entdecken, dass auch ihre eigenen Gedanken sich im Ansatz mit bestimmten Denktraditionen berühren. Über-legungen zu Moralprinzipien, die andere Menschen angestellt haben, können so zum Maßstab für eigene Überlegungen und damit zu einer Orientierungshilfe für das eigene Leben werden.

 

Ethik und Verfassung

Dabei orientiert sich der Ethikunterricht in der Schule – so die Aussage des Lehrplans – „in seiner grundlegenden Zielsetzung an den sittlichen Grundsätzen, wie sie in der Verfassung des Freistaates Bayern und im Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland niedergelegt sind. Im Übrigen berücksichtigt er die Pluralität der Bekenntnisse und Weltanschauungen. Insbesondere orientiert er sich bezüglich seiner inhaltlichen Rahmenbedingungen an den Aussagen der Bayerischen Verfassung in Artikel 131 und den Festlegungen des Grundrechtekatalogs im Grundgesetz. Für Schüler, die nicht am Religionsunterricht teilnehmen, ist der Ethikunterricht Pflichtfach (Art. 47 Abs. 1 BayEUG).

 

Themenschwerpunkte in den einzelnen Jahrgangsstufen

5 Wahrnehmung und Wirklichkeit
Bedürfnisse und Regeln
Freiheit, Entscheiden und Handeln
Spielen und Lernen
6 Gemeinschaftsfeld Familie
Ich und die anderen
Judentum und Christentum
7 Erwachsen werden
Konflikte und ihre Regelung
Menschenbild und Ethik des Islam
Feste und ihre Bedeutung für die Gemeinschaft
8 Wege zur Sinnfindung im Alltag
Verantwortung für sich und andere
Ethisch argumentieren
Umweltethik
9 Gewissen und Handeln
Religiöse Sinndeutungen des Lebens
Familie, Geschlechterrolle; Partnerschaft
Arbeit
Friedensethik
10 Philosophisch-ethische Deutungen des Menschen
Religionsphilosophie und vergleichende Betrachtung der Weltreligionen
Ethik des wirtschaftlichen Handelns
11.1 Medizinethik
11.2 Theorie und Praxis des Handelns
12.1 Freiheit und Determination
12.2 Recht und Gerechtigkeit
Sinnorientierung und Lebensgestaltung

 

Ethik in der 11. und 12. Jahrgangsstufe

Büste von Emanuel Bardou, 1798 Bode-Museum Berlin**

Büste von Emanuel Bardou, 1798
Bode-Museum Berlin**

Im Zentrum des Ethikunterrichts der 11. und 12. Jahrgangsstufe steht die Beschäftigung und Auseinandersetzung mit Ethik als philosophischer Disziplin seit der Antike. Welchen Sinn aber macht es, sich mit philosophischen Theorien zu beschäftigen, die zweieinhalb Jahrtausende alt sind?
Jemand könnte heute sagen: „Es wurde so viel Verschiedenes gedacht, man sieht doch, dass jeder eine andere Meinung hat und dass es etwas objektiv Gültiges nicht gibt; der eine sieht es so, der andere so, also entscheide ich, wie es mir gerade passt.“
So oder so ähnlich hätte das auch ein so genannter Sophist im Athen des fünften Jahrhunderts vor Christus sprechen können, dieser Relativismus ist also keineswegs neu und schon gar nicht das Ende. Denn an diesem Relativismus entzündete sich erst die „große“ Philosophie Europas, angefangen bei Sokrates über Platon und Aristoteles bis hin zu Kant und Hegel. Es lohnt sich also, dieses Problem immer wieder aufzugreifen und darüber nachzudenken, was seit dem Griechen Parmenides heißt, logisch zu denken. Entsprechend wird Platon sinngemäß fragen: „Wenn alles subjektiv ist, wenn es keine allgemein gültigen Aussagen gibt: Ist dann wenigstens dieser Satz wahr?“

Die Anforderungen des Lehrplans also sind hoch: Neben der soliden Kenntnis philosophischer Theorien, der Freude am aufmerksamen und kritischen Lesen inhaltsschwerer Texte soll auch das Interesse vorhanden sein, die Argumentationen und ihre logische Struktur zu erkennen und kritisch zu beurteilen.

Formale Voraussetzung für die Wahl des Fachs Ethik als Abiturfach

Daneben gibt es noch eine formale Hürde für die Wahl von Ethik als Abiturfach: Entweder wurde in der 10. Jahrgangsstufe bereits Ethik statt Religion besucht oder zu Beginn – also spätestens bis Allerheiligen – muss eine Feststellungsprüfung über den Stoff der 10. Jahrgangsstufe erfolgreich bestanden werden. Die Prüfung kann mündlich oder schriftlich sein.
Die Anmeldung erfolgt spätestens zu Beginn der 11. Jahrgangsstufe im Sekretariat.

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*   Photograph: Bibi Saint-Bol, Quelle: Wikimedia Commons, Lizenz: gemeinfrei
** Photograph: Andreas Praefcke, Quelle: Wikimedia Commons, Lizenz: gemeinfrei