Donnerstagvormittag, 5.-6. Stunde, Deutschunterricht der Klassen 7a von Frau Löser und 7c von Herrn Bauer, gut 40 erwartungsvolle Augen- und Ohrenpaare warten gespannt darauf, was und wer jetzt kommt…
Und es kommt… der Autor unserer Schullektüre aus dem Deutschunterricht persönlich:
Rüdiger Bertram, Jugendbuchautor aus Köln.
Nach der kurzen, humorvollen Begrüßung durch Herrn Dr. Lenzgeiger ist das Eis zwischen Schriftsteller und jungem Publikum sofort gebrochen. Rüdiger Bertram zieht die Mädchen und Jungs der beiden Klassen mit seiner authentischen, begeisternden Erzählart sofort in seinen Bann und vor allen Dingen in den Bann der Geschichte.
Klingt der Titel „Der Pfad – Die Geschichte einer Flucht in die Freiheit“ für den nicht Eingeweihten und Eingelesenen zunächst nach einer absolut tagesaktuellen Begebenheit, sind die Schülerinnen und Schüler schon zu Beginn der Autorenlesung einen Schritt weiter. Sie haben sich schon mit der Lektüre und den zeitgeschichtlichen Hintergründen beschäftigt, dazu Referate angefertigt und sich natürlich in den Text vertieft. Es geht in diesem eben nicht um Flüchtende heutzutage, die sich z.B. auf den Weg nach Europa machen oder aus der Ukraine fliehen, um Frieden und Freiheit zu finden, sondern um die deutsche Geschichte vor gut 80 Jahren, als sich deutsche Mitbürger auf die Flucht, auf einen Weg in die Freiheit machten, um Krieg und Verfolgung zu entgehen.
Rüdiger Bertram schildert zunächst, wie er auf die Idee kam, den ungewöhnlichen Einstieg in seinen Roman mit Hilfe einer doppelseitigen Graphic Novel, also einem kurzen Comic, zu wählen, in der 8 Jahre der Zeitgeschichte, in denen es zum 2. Weltkrieg kam, kurz und anschaulich transportiert werden, ohne den jungen Leser zu überfordern. Der eine oder andere hat wohl da nun wirklich „gecheckt“, warum auch eine kreative und gelungene Einleitung in einer Schulaufgabe durchaus wertvoll sein kann. Rüdiger Bertrams Roman-Einstieg weckt die Lust auf das, was da an fiktionaler „Story“ folgen soll, so jedenfalls die Meinung der Schülerinnen und Schüler aus dem Deutschunterricht.
Ein Junge im Alter unserer 7.-Klässler, Rolf, ist mit seinem Vater Ludwig, einem kritischen Journalisten aus Berlin, und seinem geliebten Hund im Jahr 1941 auf der Flucht vor den Nationalsozialisten im Süden Frankreichs angekommen, wo die beiden versuchen, irgendwie und mit gefälschten Papieren sowie ihren letzten Habseligkeiten auf ein Schiff zu gelangen, dass sie von Spanien oder Portugal aus nach New York, in die Freiheit und Sicherheit, bringen soll. Dort wartet schon seit drei Jahren die Mutter und Ehefrau der beiden Flüchtenden, die es noch vor Kriegsausbruch geschafft hat, Nazi-Deutschland zu verlassen, und natürlich gerade von Rolf schmerzlich vermisst wird.
Der Schriftsteller zeichnet und erzählt den Weg der Flucht der beiden so geschickt und fesselnd, dass alle ihm an den Lippen hängen und ihm lauschen. Beeindruckend ist vor allen Dingen, dass er den Klassen eigene Bilder von den Originalschauplätzen zeigt, da er sich selbst zu Fuß auf den Weg gemacht hat und den Weg seiner eigenen Protagonisten vom Süden Frankreichs über die Pyrenäen nach Spanien abgelaufen ist. Eine beindruckende Recherchearbeit, die die Geschichte lebendig und zeitaktuell erscheinen lässt.
Nach einigen Seiten Text, die Herr Bertram gekonnt und intensiv vorliest, nutzen die Schülerinnen und Schüler die günstige Gelegenheit und „löchern“ den Schriftsteller mit Fragen. Neben Fragen zum Text, zu Beweggründen des Erzählens und vielem mehr, interessieren sie aber auch die Umstände des beruflichen Daseins als Schriftsteller und Jugendbuchautor. Rüdiger Bertram nimmt sich dabei viel Zeit und beantwortet alle Fragen der Kinder mit großem Einfühlungsvermögen und dem nötigen Schuss Humor. Beeindruckt waren die jungen Leser vor allen Dingen auch von der Ehrlichkeit Herrn Bertrams, der schilderte, dass er pro Buch nur etwa 70 Cent verdiene. Damit hatten die Kinder wohl nicht gerechnet, ihre Schätzungen beliefen sich auf Werte zwischen 2,- und 5,- Euro.
Besonders interessant ist es natürlich für die Schüler, dass Herr Bertram auch das Drehbuch des gleichnamigen Kinofilms „Der Pfad“ geschrieben hat und dieser deutschlandweit schon in den Kinos gelaufen ist. Sogar mit dem Deutschen Filmpreis in der Kategorie „Bester Kinderfilm“ wurde die Romanverfilmung ausgezeichnet. Der Autor zeigt den Kindern den offiziellen Trailer des Films und diskutiert anschließend mit ihnen bezüglich der Unterschiede zum Roman. Besonders in den Fokus wird hier die Frage gerückt, warum der Junge, welcher Rolf und seinem Vater bei der Flucht über die Pyrenäen hilft, im Film gegen ein junges Mädchen ausgetauscht wurde. Aber auch Handlungsalternativen und Ideen der Schüler zu einer möglichen Fortsetzung finden in der angeregten Diskussion Raum.
Herr Bertram versteht es als Jugendbuchautor ausgezeichnet, seine Leserschaft, die Kinder, an seinem Schreibprozess und „seiner“ Geschichte teilhaben zu lassen, was die Schüler ihm mit engagierter und interessierter Mitarbeit im Rahmen der Lesung spiegeln. Dieses Interesse und die Mitarbeit der Siebtklässler, auch im Deutschunterricht zur Lektüre, verdienen ein großes Lob.
Mit der Möglichkeit zur persönlichen Widmung der Schullektüren endet für alle Beteiligten eine sehr interessante und kurzweilige Veranstaltung, die es in ganz besonderer Weise geschafft hat, nicht nur dem inhaltlichen Thema, sondern auch dem Unterricht an sich einen frischen Pepp zu geben und Geschichte sowie Literatur für die Schülerinnen und Schüler erlebbar zu machen.
Somit bleibt der Dank aller Schülerinnen und Schüler an Herrn Bertram für diese tolle Veranstaltung sowie die klare Empfehlung der Klassen 7a und 7c:
„Der Pfad“ ist eine top Lektüre für alle Kinder ab der 5./6. Klasse – nicht nur für den Deutschunterricht. Wer also noch auf der Suche nach einem passenden Weihnachtsgeschenk ist, …
(Rainer Bauer)