Ein Mediziner als erfolgreicher Literat

Professor Michael Lichtwarck-Aschoff wird vom Landkreis ausgezeichnet. Er schildert skurrile Begebenheiten im Leben von Außenseitern. Warum er sich Figuren aus einer psychiatrischen Anstalt widmet.

Knapp vier Jahrzehnte lang war Michael Lichtwarck-Aschoff Arzt am Klinikum in Augsburg. Ein Spezialist für Intensivmedizin, der nicht nur am Operationstisch und am Krankenbett stand, sondern auch Forschung betrieb und obendrein noch als akademischer Lehrer an der Uni München gefragt war. Ende 2011 trat Professor Lichtwarck-Aschoff in den Ruhestand – und meldete sich nur wenige Wochen später für eine literarische Schreibwerkstatt an der Universität Augsburg an. Ein Schritt mit Folgen. Gestern erhielt er im Neusässer Justus-von-Liebig-Gymnasium den Kunstpreis des Landkreises Augsburg 2016.

In den Jahren 2014 und 2015 wurde der 69-Jährige mit dem Irseer Pegasus und mit dem Schwäbischen Literaturpreis ausgezeichnet. Im August hat er seinen ersten eigenen Erzählungsband „Hoffnung ist das Ding mit Federn“ nach einem Gedicht der Amerikanerin Emily Dickinson veröffentlicht.

Lichtwarck-Aschoff widmet sich gerne realen, teilweise historischen Gestalten. Bei allen

Im Neusässer Gymnasium wurde der Kunstpreis des Landkreises Augsburg in Belletristik verliehen: (von links) Lehrer und Autor Peter Dempf, Schulleiter Stefan Düll, Kunstpreisträger Professor Michael Lichtwarck-Aschoff, Laudator Professor Helmut Koopmann, Bürgermeister Richard Greiner und Landrat Martin Sailer. (Foto: M. Merk)

Im Neusässer Gymnasium wurde der Kunstpreis des Landkreises Augsburg in Belletristik verliehen: (von links) Lehrer und Autor Peter Dempf, Schulleiter Stefan Düll, Kunstpreisträger Professor Michael Lichtwarck-Aschoff, Laudator Professor Helmut Koopmann, Bürgermeister Richard Greiner und Landrat Martin Sailer. (Foto: M. Merk)

hat das als psychiatrische Anstalt genutzte oberschwäbische Kloster Schussenried zeitweilig eine Rolle in ihrem Leben gespielt. Das „Randständige“ solcher Menschen interessiert Lichtwarck-Aschoff, weil es immer auch etwas mit uns sogenannten Normalen zu tun habe. „Ich habe bisher viel über psychisch Kranke geschrieben, weil sich bei ihnen die Frage stellt – wer sieht eigentlich die Welt richtig?“

Was das Schreiben als reines Handwerk betrifft, so hat er sich darin bereits in seinem Beruf als Mediziner und Wissenschaftler eingeübt. Vielfach hat er in Fachzeitschriften veröffentlicht, was – so Lichtwarck-Aschoff – durch die gebotene Präzision und den Zwang zur Kürze das eigene Formulierungsvermögen schärfte. Genau diese „authentische, richtige, schnörkellose Sprache“ habe ihn in die Geschichten hineingezogen, sagte Laudator und Kunstpreis-Jurymitglied Professor Helmut Koopmann. „Seine Erzählungen beschreiben keine Hochglanzwelt, der man nacheifern soll, sondern handeln von Krüppeln, Schwachköpfigen und von von der Gesellschaft an den Rand Gedrängten.“ Diese wollen fliehen, teilweise sogar die Schwerkraft überwinden, wie beispielsweise Gustav Mesmer (1903 bis 1994), ein genialischer Sonderling, der aus Damenfahrrädern Flugapparate gebaut und den man wegen „Kindlichkeit und Erfinderwahn“ in die Schussenrieder psychiatrische Anstalt eingewiesen hat.

Der Autor schildert auch einen Mann, der mit zusammengeleimten Dohlenflügeln „vom Kirchturm in das Fronleichnamsblau hinein“ springt und so zum Krüppel wird – aber wenigstens versucht hat, zu fliegen. Sie werden so zu Sinnbildern für Menschen, die ihre eigenen Schranken und Mauern überwinden möchten, Ausbruchsversuche aus der irdischen Begrenzung überhaupt.

„Die meisten der Geschichten sind verkappte Kriminalerzählungen“, so Koopmann weiter. Michael Lichtwarck-Aschoff gab zu, dass sein Lieblingsautor und fast Vorbild Per Olov Enquist ist: „Er hat eine bestimmte Art des historischen Romans revitalisiert“, erklärte der Kunstpreisträger. „Was ich geschrieben habe, ist nicht, was ich erfunden, sondern was ich gefunden habe.“ Er füge lediglich Figuren oder Begebenheiten hinzu. Lichtwarck-Aschoff betonte aber: „Das Absurdeste in meinen Geschichten sind immer die historischen Tatsachen, was sachlich erscheint, habe meistens ich hinzugeschrieben.“

Landrat Martin Sailer erklärte, es sei ein besonderes Anliegen des Preises, regionale Künstler für ihr Gesamtwerk zu ehren und bekannt zu machen. „Denn Literatur spielt sich nicht nur zwischen Seiten ab.“


(AZ: Gerald Lindner – Ein Mediziner als erfolgreicher Literat – weiter lesen auf Augsburger-Allgemeine: http://www.augsburger-allgemeine.de/augsburg-land/Ein-Mediziner-als-erfolgreicher-Literat-id39687282.html)