Mein Weg nach Deutschland

Es gibt zurzeit kein Thema, über welches mehr gesprochen wird als die Flüchtlingskrise. Als Bürgerinnen und Bürger eines politisch stabilen Industriestaates fällt es uns oft schwer, uns in die Lage der Flüchtlinge zu versetzen, die zu Hunderttausenden vor dem Bürgerkrieg und den Machenschaften des Islamischen Staats fliehen. In Kooperation mit der Schulleitung hat die SMV es sich zum Ziel gesetzt, den Schülerinnen und Schülern des Justus-von-Liebig-Gymnasiums einen Einblick in das Leben eines Flüchtlings zu geben.

Der 21-jährige Syrer Bahaa Ali kam aus diesem Grund am 09. November an unsere Schule, um sich mit den Schülerinnen und Schülern der Jahrgangsstufen 9 bis 11 über seinen Weg nach Deutschland zu unterhalten. Geboren und aufgewachsen im syrischen Al-Kamischli verlief sein Leben trotz des herrschenden Bürgerkriegs recht normal. Bahaa erzählte von seiner Familie, von seinem verstorbenen Vater, seinen zwei Schwestern und seinen vier Brüdern, die alle, ebenso wie er, erfolgreich studiert haben. Unterstützt wurde sein Vortrag von zahlreichen Bildern, die es den Zuhörern erleichterten, sich Bahaas Situation vorzustellen. Auf die Erzählungen von seiner Familie, seiner Heimatstadt und seinen inländischen Reisen folgten Schilderungen von seiner Flucht. Sein Weg begann 2013 mit seiner Abreise aus Al-Kamischli, nachdem Kämpfer des IS seine Stadt belagert hatten, und führte ihn quer du_DSC0161_431448445126_1rch ganz Syrien auf der Flucht vor der Gewalt. Im Oktober 2013 überquerten er und 25 weitere Syrer zu Fuß die Grenze in die Türkei. Nach der 25-stündigen Busfahrt nach Istanbul nahm die Gruppe einen Flug an die bulgarische Grenze. Dort irrten die Flüchtlinge zehn Stunden lang ohne Wasser und Nahrung durch einen Grenzwald, in welchem sie auch noch von Soldaten geschlagen wurden, als sie aufgefunden wurden. Die Reise führte weiter nach Sofia, die bulgarische Hauptstadt, wo sie in eine Notfallunterkunft gebracht wurden. Die Lebensbedingungen in Bulgarien waren „unmenschlich“, beschrieb Ali, sowohl die unhygienischen und überfüllten Unterkünfte als auch die xenophoben Bulgaren machten den Aufenthalt unerträglich. Nach fünf Monaten durfte Bahaa endlich nach Westeuropa; nach einem kleinen Umweg über Brüssel, ging es für ihn nach Karlsruhe und anschließend in ein kleines Dorf in Brandenburg, wo er als Dolmetscher arbeitete. Deutsch erlernte der heutige Medizinstudent, der momentan ein Praktikum beim Zahnarzt macht, durch das Internet und Zeitschriften.

In der anschließenden Fragerunde erzählte er von seinem Leben in Deutschland, seiner Enttäuschung von den profithungrigen Helfern, seinem vermissten Bruder und seinen Gründen für den Vortrag an unserer Schule. Bahaa schloss seinen Vortrag mit dem Wunsch, in Deutschland bleiben zu dürfen, ab.

Im Namen der gesamten Schulfamilie bedankt sich die SMV bei Bahaa Ali und wünscht ihm eine glückliche Zeit hier in Deutschland.